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Zur Guten Nacht…

Montag, 27. September 2010, geschrieben von Mimi Müller

Eine kleine Geschichte…

Nachlese

Schön war er gewesen, der Spaziergang. Der Herbst liegt schon in der Luft, auch wenn statt Blättern noch Eicheln fielen. Es regnete unablässig, aber die Bäume bilden ein Dach, durchlässig zwar, löchrig, wie die Dächer unserer Leben, grade genug, das Schlimmste abzuhalten, genug, dafür zu sorgen, daß uns das Wasser nicht überall bis zum Halse steht, das Nachtlager noch trocken bleibt.

Es hat lange gedauert, bis ich wieder einigermaßen frei atmen konnte. Je nasser ich wurde, je stärker der Regen mir über das Gesicht rann, umso besser fühlte ich mich. Es war, als wüsche Gott mir persönlich das Gesicht, da rann der Regen über meine Wangen hinab, unablässig, und spülte ein paar  Tränen unauffällig fort…

Wissen Sie, der Gott, an den ich glaube, der weint ja mit, der ist ja genauso erschüttert, wie wir, weiß ja, wie man sich fühlt, so als Mensch, wenn man weint, wenn man lacht. Er ist ja selbst Mensch geworden und hat da alle möglichen menschlichen Erfahrungen persönlich gemacht. Und weitaus Schlimmere als wir…

Ich mag Gott nicht betrüben. So manche Träne halte ich deshalb zurück… Ich hab ihn nie betrüben gemocht, schon als Kind nicht. Das hatte aber nichts mit den fürchterlichen Drohungen zu tun, mit dem, was die Erwachsenen sagten, dass man dieses oder jenes tun müsse, diese oder jene Regel einzuhalten habe, weil Gott sonst stinksauer würde und einem die „ewige Verdammnis“ drohte. Ich wußte nicht, was die war, ich wußte nur, was sie über ihn und seine Strafen sagten, das war gelogen. Ich wußte, aus der Tiefe meines Kinderherzens (und  Kinderherzen sind immer die Tiefsten) daß Gott es liebte, wenn die Menschen fröhlich waren, wenn ich fröhlich war. Ich wußte, dass er stets mit mir weinte, wenn ich weinte. Und nie hat er mich gestraft. Er teilte meinen Schmerz und tröstete mich durch sein Mitgefühl. Nie ließ er mich allein. Und ich wußte genau, wie Gott sich dabei fühlen musste, beim „mit mir fühlen“, wie es ihm ging, wenn er sich mit mir schämte, wie er sich fühlte, wenn er mit mir weinte, wußte ich auch– ich fühlte mich ja doch ganz genau So. Und ich wollte nicht, dass Gott sich so elend fühlen müsse. Da wollte ich doch lieber bald ein fröhlicher, ein heiterer Mensch werden. Gott sollte sich dann genau so gut fühlen wie ich…

Die Frage, ob es einen Gott überhaupt gäbe, wurde „von außen“ an mich heran getragen. Da war es mir manchmal zum Verzweifeln zu Mut. Wußte ich doch die Antwort, konnte sie aber nicht beweisen. In der Welt der Erwachsenen aber gilt nur der Beweis. Das lässt auch sie verzweifeln.. Keine Verzweiflung aber ist so groß, wie die der Kinder…

Daran dachte ich, als ich so durch den Wald lief, an der Tarpenbeck entlang, die ruhig vor sich hinmurmelte und ein Stück Ihres Weges mit mir floss. Als der Regen mir in Strömen über das Gesicht ran und ich mir zu weinen erlaubte.  Gott würde keine Träne zu sehen bekommen, so dachte ich. „Weinen im Regen“ ist einer meiner menschlichen Taschenspielertricks, mit denen ich Gott garantiert stets erheitere. Manchmal lässt er mich die Welt dann mit seinen Augen sehen, von oben, von ganz weit weg, so weit, wie die Flugzeuge über Fuhlsbüttel und weiter noch und dann lässt er mich auch einen Blick auf mich selbst werfen. Mit seinen Augen. Dann lachen wir gemeinsam. Und fühlen uns gut.

So war das gestern. Ich habe einen Frosch gesehen, 3 Pferde und einen Reiter und die Schlehen sind so prall wie blau. Es roch nach Laub und Erde und ab und an nach Pilzen. Brombeeren wird es noch ein paar Tage geben, sie hingen am Strauch noch, ihre letzten Früchte glänzend schwarz und voller Süße den nächsten Sommer schon verkündend. Ein Vogel hat, trotz des Regens, gesungen. Ein Optimist, wie ich. Und als ich dann ins warme Haus kam, nass und immer noch das Murmeln des Wassers im Ohr, da hab ich die Kartoffelsuppe gegessen, die ich vorbereitet hatte. Die zweitbeste Suppe der Welt. Mit Lauch, selbst gezogen, gegossen an heißen Tagen,  durch den Sommer gebracht, der Erde abgerungen. Von mir.

Da war ich sehr zufrieden. Auch im Duft von Kartoffelsuppe liegt Glück.  Für eine Weile…

Die Schmuddelkinder singen für die  Lumpenproletarier. Hier…