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Trauer. Schmerz. Und Ekel. Ekel.

Donnerstag, 9. September 2010, geschrieben von Mimi Müller

Ich werde die Pause noch etwas ausdehnen. Nachdem ich gestern morgen diesen Artikel gelesen hatte, bekam ich kurz drauf heftige Magenschmerzen. Dann habe ich noch den Bericht in der Lokalzeit von vorgestern gesehen, wo sie alle wieder so wunderbar miteinander feierten, ganz so wie wie früher. So sieht also die Rückkehr zur Normalität aus. Grundsteinlegung,  Synode, Turtle und Tiger. Und alle machen mit, geben Herrn Sauerland die Möglichkeit sich zu präsentieren, während die Bürger der Stadt, die Angehörigen der Toten, die Verletzten bis heute vergeblich auch nur auf minimale Zeichen des Anstandes warten. Das hat mich zutiefst angeekelt.  Mir ist den ganzen Tag elend gewesen.

Ich bin an einem Punkte, an dem ich selten war in meinem Leben: Ich bin nahe an der Verachtung.  Menschenverachtung. Das ist schlimm, ich habe nie in meinem Leben Menschen verachtet – und ich will dahin auch nicht kommen. Mein ganzes Wesen ist liebend – und ich will mir diese tiefe Liebe zu allem Lebendigen bewahren. Ich habe es immer geliebt, Menschen mit dem was ich schrieb, Lachen zu machen, ihren harten Alltag zu erhellen,  ihnen auf eine leichte, heitere Art Wissen zu vermitteln, das notwendig ist, will man den heutigen Verhältnissen nicht völlig hilflos ausgeliefert sein.  Jetzt, nach diesen vielen grauenhaften Wochen,  in denen ich meist 16 Stunden am Tag mich mit dem Duisburger Dreck auseinanderzusetzen gezwungen war, merke ich, daß ich mehr als nur 15 Minuten Pause brauche, daß ich neue Kraft schöpfen muss für den langen Kampf, der noch vor uns liegt. Ich muß mich von den Gefühlen des Ekels befreien, von den Widerwärtigkeiten einmal einen Tag abwenden. Ich bin erfüllt von Entsetzen, Scham, Ekel, erschüttert von soviel Fühllosigkeit und unbedingtem Willen zur Macht, der auch jetzt noch nicht innehält. Ungehindert geht das politische Geschachere weiter, und nur ein einziger Mensch besaß bisher die Stirn, aufzustehen und zu gehen und diesem ekelerregenden Gehabe den Rücken zuzudrehen. Und auch Herr Krings, so sah ich gestern dann in dem Film,  scheut sich dann am Ende doch auch nicht, Herrn Sauerland und Herrn Janssen bei diesen “Feierlichkeiten” beizustehen.

Ich nehme mir heute und in den nächsten Tagen soviel Zeit, wie ich brauche, um meine Seele zu reinigen. Ich muß raus, an die Luft, ich muß den Ekel loswerden und den Brechreiz, ich muß wieder frei atmen können, damit ich hier “mit aller Entschlossenheit” auch weiter “brutalstmögliche” Aufklärung betreiben kann.  Ich hoffe und bete, daß sich wahrhaftige Menschen finden, die den Widerstand vor Ort organisieren, Demonstrationen anmelden, Bürgerinitiativen gründen, die diesem unwürdigen Schauspiel dann ein Ende setzen.  Wir werden keine Ruhe finden, bevor hier nicht ALLE ihre Konesquenzen gezogen haben. Ich fordere wieder wieder und wieder den Rücktritt des Oberbürgermeisters, des Verwaltungsvorstandes und des gesamten Stadtrates. Ich fordere Neuwahlen – und es möge sich dann jede Partei davor hüten, auch nur ein einziges Plakat zu kleben. Sie alle, die sich um ein neues Mandat bewerben, sollten sich auf Ihre Menschlichkeit besinnen und zusammen mit den Duisburgern Trauerarbeit leisten, wenn sie für sich werben wollen. Mich interessiert dieses ganze Geblubbere und Gelabere nicht mehr, es kotzt mich an; – entweder sie finden einen Weg zur Wahrhaftigkeit oder sie mögen sich zum Teufel scheren…

Ich versuche jetzt ein wenig Ruhe noch zu finden. Viel habe ich geschrieben, mit dem sie “anfangen” können, bei dem Sie “weitermachen” können.  Halten Sie die Augen auf und bleiben Sie wachsam. Sie können alles noch einmal nachlesen, überdenken, wenn ich jetzt für eine kurze Weile unterbreche…

Bleiben Sie tapfer.