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Dass sowas von sowas kommt …

Dienstag, 3. August 2010, geschrieben von Mimi Müller

Gerade las ich einige bemerkenswerte Sätze über Herrn Sauerland , hier, diese: “Es wäre besser gewesen, er hätte früher verstanden, dass es nicht um ihn als Menschen, sondern als Amtsinhaber ging. Er hat wie eine Privatperson reagiert, wo er als Repräsentant, als Person gewordenes Gemeinwesen hätte reagieren müssen.” Sie sind diesem Artikel entnommen.

Bevor ich mich dazu äußere möchte ich an den Abschluss der Rede von Hannelore Kraft erinnern, in der sie einen Vater zitiert:

Der grausame Tod seiner Tochter könne im Nachhinein noch einen Sinn bekommen, wenn dieser Tod uns alle mahnt, unser aller Wertesystem zu überdenken.” Der Mensch und sein Wohlergehen müssten wieder wichtigste Leitlinie unseres Handelns sein, sagt Kraft mit tränenerstickter Stimme.

Und das wollen wir tun, dass sei uns Auftrag:  Wir wollen ihrem Tod diesen Sinn geben.

Wenn wir uns aber daran machen, dass zu tun, dann dürfen wir dabei eines nicht: uns auf Einzelne fokussieren. Das hätten sie gerne, die , die jetzt alle in Deckung gegenagen sind, das mögen sie für sich erhoffen: dass uns das, was sie ein Bauernopfer zu nennen gewohnt sind genüge. Ich glaube, ich spreche vielen Menschen aus dem Herzen, wenn ich Ihnen verbindlich sage: das tut es nicht. Wir wissen sehr genau, daß da die verschiedensten Interessen, die allesamt nicht die unseren waren, verhängnisvoll ineinander griffen. Die Duisburger (und es waren nicht wenige) die ich kennengelernt habe, auch die, die man auf geradezu unverschämte Weise als “bildungsferne Schicht” verhöhnt, wußten und wissen, “dass sowas von sowas” kommt. Ihnen ist die Großmannssucht, die Kungelei, das Hinwegsetzungen über die, die an berechtigten Bedenken schwer tragen, nicht fremd.  Sie wissen, wie in ihrer Stadt mit Kritikern umgegangen wird,  sie wissen, daß für Megaevents und Hochkultur immernoch Geld zu finden ist, während Ihre Kinder in schimmelnden Schulen darben, das Postengeschacher, Kumpanei und Günstlingswirtschaft, der florierende Handel mit Zustimmungen – all das hat sich vor Ihren Augen abgespielt. Sie haben die Entwicklung des letzten Jahrzehntes am eigenen Leibe, am Portmannaie, erfahren und sie haben teuer dafür bezahlt. Sie haben auch erleben müssen, daß die Zustimmung für die CO-Pipeline gegeben wurde, sie haben auch erlebt, wie vehement Herr Sauerland für die Aufpeppung der Ladenpassage im Hauptbahnhof eingesetzt hat, und die Reparatur der Dächer, die den Reisenden auf die Köpfe zu fallen drohten, dahinter zurückzustehen hatte. Sie mussten erleben, daß die Politiker ALLER Parteien in ähnlicher Weise agierten.  Und in all diesen Jahren haben die Duisburger sich dann zunehmend von der Politik abgewandt, weil sie sich ihr ohnehin nur noch ohnmächtig ausgeliefert fühlten. Und Herr Sauerland war zu keinem Zeitpunkt der allseits beliebte Kumpel,  das “personifierte Gemeinwesen”. Die Duisburger wußten schom immer zu unterscheiden zwischen Kumpel und Kumpanen, Kumpelei und Kumpanei. Und sie wissen auch heute sehr wohl zu unterscheiden zwischen juristischer Schuld und persönlichem Verantwortungsgefühl, Versagen eines Einzelnen oder Zusammenbruch eines Systems. Sie wissen, daß Herr Sauerland nicht allein verantwortlich zu machen ist für das, was im Tunnel geschah. Aber für seinen Umgang damit: da sehen sie ihn verantwortlich. Der Autor des Artikels hat es ganz gut beschrieben.  In einem aber irrt er , wenngleich der Satz das Grundproblem schon beinhaltet. Und zwar hier: “Er hat wie eine Privatperson reagiert, wo er als Repräsentant, als Person gewordenes Gemeinwesen hätte reagieren müssen.”

Der Autor sieht das Problem – und sieht es doch nicht. Sein Fehler ist, hier von Herrn Sauerland als zwei Personen zu sprechen, einer Privatperson und einem Repräsentanten – von dem Herr Sauerland quasi der “falschen  Rolle” den Vorzug gegeben habe. Aber genau das ist das Problem, dass die Duisburger, die Menschen allgemein und ich ganz besonders mit den heutigen politischen und wirtschaftlichen Akteuren haben: dass Sie nicht ganz, nicht heil, nicht immer ein und der gleiche und zuallererst: Mensch sind. Ich habe im Laufe meines Lebens viele Politiker kennengelernt und alle waren in der gleichen Schizophrenie gefangen. Sie taten in ihren Funktionen Dinge, vertraten “pflichtgemäß” Positionen, von denen sie einräumen mussten, dass sie “privat” anderer oder modifizierter Auffassung sind. Am Ende vieler Gespräche habe ich mich gefragt, warum die Welt eigentlich so aussieht, wie sie aussieht. Eigentlich hatte das keiner gewollt – nicht mal die, die sie so gestalteten. Diese seltsame Differnzierung zwischen “privat” und “beruflich” beobachte ich im Übrigen schon zeitlebens bei meinen christlichen Brüder und Schwestern. An der Bürotür wird das Christentum abgestreift wie ein Mantel, den man sich feierabends wieder über die Schulter legt.  So richtig an hat ihn niemand. “Wie denn auch? So kann man ja nicht leben da draussen.”  In der Weise, wie das Christentum an- und abgelegt wird – und mit ihm verbindliche, verlässliche Werte – wird auch – je nach Tageszeit und Funktion- das Menschsein abgelegt. Immer dann nämlich, wenn es wirtschaftlichen Erwägungen im Wege steht.  Lange Zeit habe ich hier von Schizphrenie gesprchen, doch tatsächlich ist die Lage ja noch schlimmer: Hat jemand schon keine Stabilität in seinem  “Mensch sein”, findet er diese häufig genug noch weniger in seinem “Repräsentant” sein. Denn unsere Repräsentanten repräsentieren ja nicht nur in der Funktion für die sie gewählt worden sind – sie repräsentieren mitunter auch Institutionen, der Interessen gerade einer anderen Institution, die sie ebenfalls repräsentieren, entgegenlaufen. Wessen Interessen vertreten, wenn man gleichzeitig Gewerkschafts – und Parteifunktionär ist – und es um die Ausweitung von Zeitarbeit und die Duldung von Dumpinglöhnen geht?  Das alles muß zu tiefgreifenden Persönlichkeitsstörungen und Seelendeformationen führen. Das hält nur aus, wer sich fühllos gegen seine innere Stimmen, den Schlag seines Herzens macht. Mit allen Folgen, die das für ihn und die ihm anvertrauten Menschen hat. Ich schrieb es vor ein paar Tagen schon : das ist es, was “die Geldwelt” aus Menschen macht.  Und jeder, der diese wirtschaftspolitische Welt betritt, steht in Gefahr. Er findet sich “Repräsentanten” gegenüber, die nur einen einzigen Aspekt des Handelns kennen: Gewinn. Und die bei weitem geübter darin sind, ihre Interessen, ihre Verträge durchzusetzen. Und die Interessen dieser weltweite agierenden Finanzjongleure sind noch nie die Interessen irgendeines Volkes gewesen. Ein Lehrer,  mag er auch Rektor gewesen sein, ist nicht einmal in der Lage die ersten drei Seiten solcher Verträge zu verstehen, wie Herr Sauerland sie mehrfach gezeichnet hat oder hat zeichnen lassen. Keiner kann das, nichteinmal Frau Merkel. Da verlässt sich einer auf den anderen, und der verlässt sich auch wieder ein bißchen, der mag ja auch nicht zugeben, daß er das nicht versteht, und dann kuckt man mal an der Uni, vielleicht erforscht da gerade einer was…und dann drängt ja auch die Zeit und Zeit ist Geld… Ein Heer von Ahnungslosigkeit und Ahnunglosen. Ein Heer von Unverantwortlichen, auf vielfältige Weise verstrickt im Netz des Geldes, der Macht, der Eitelkeit. Da schickt der Herr den Jockel aus… Ich hoffe, man wird einmal von den Toten sagen, sie haben die geistig-moralische Wende eingeleitet, von der hier seit nunmehr 2 Jahrzehnten die Rede ist, während man zeitgleich mehr und mehr jedweden Anstand dem eigenen Volk gegenüber vermissen ließ. Dass die Menschen sich angewidert abwandten, ignorierte man geflissentlich und schuf sich (sich! nicht uns!) ein “Unterschichtenfernsehen” und bedient seither niederste Instinkte, während man sich selbst öffentlich-rechtlich abfeiert.

Das alles ist von Anfang an verantwortungslos gewesen und ist es noch.