Zurüruck zum Inhalt

Sonntag

Sonntag, 29. August 2010, geschrieben von Mimi Müller

Ich weiß nicht, was Sie Sonntags machen. Denken Sie da manchmal an Gott? Ich schon.

Ich denke öfter an ihn als am Sonntag, aber am Sonntag mach ich das besonders gerne. Der  Morgen ist  ruhig, die Welt ist ein bißchen stiller als sonst, das Treiben nicht ganz so geschäftig. Und weil ich ja nicht in die Kirche gehe, denke ich mir manchmal selbst eine Predigt aus. Was ich so sagen würde, an einem Tag, wie beispielsweise diesem.

Heute dachte ich an „Schuld“. Die ganze Zeit ist ja jetzt immer wieder von „Schuld“ die rede.

Und dann weist jeder sie von sich, mit Klauen und Zähnen, mit List und Tücke.  Mit Angst. Und aus Angst. Zunächst fällt auf,  daß dabei viele  „Schuld“ und „Verantwortung“ gleichsetzen. Wenn Verantwortung übernommen würde, so liest man zunächst, dann käme das ja einem Schuldeingeständnis gleich. Ein bißchen später dann, wird doch differenziert: Verantwortung würde übernommen, so hieß es, wenn nach Abschluß von Ermittlungen eine juristische Schuld nachgewiesen werden könne. Ein heilloses Durcheinander herrscht  in diesen Begriffen. Bei den einen gibt es zwei Worte, die ihnen aber gleiches bedeutend, andere wiederum differenzieren, machen aber weitere Unterkategorien für Verantwortung auf: persönliche, juristische, moralische. Und diese werden dann von den Ersteren für beide Begriffe übernommen. Das ist das Kreuz mit der Sprache im allgemeinen und mit unserer, die so nuancenreich und vielfältig ist, ganz besonders: – Nie reicht sie aus. Sie scheint es insbesondere dann nicht zu tun, wenn Menschen aufeinandertreffen, die sich nicht verstehen wollen, – wohingegen wir andrerseits alle das Gefühl der „blinden Verständigung“ kennen, da, wo wir miteinander im Einklange sind und keiner Worte mehr bedürfen.

Unabhängig davon, was wir selbst darunter verstehen, welcher Bedeutung der Worte, welchem Wort wir selbst zuneigen, müssen wir, wollen wir das alles verstehen, was uns zur Zeit so sehr beschäftigt, von der Bedeutung ausgehen, die diese Begriffe für jene haben, die unmittelbar betroffen sind.  Herr Sauerland hat es uns selbst gesagt : er setzt diese Begriffe gleich. Für ihn geht es um die Frage persönlicher Schuld. Und die wiederum setzt er mit  juristischer gleich. Ich wies damals, gleich zu Anfang darauf hin, als ich im Fernsehen nichts anderes sah, als einen erschütterten, traumatisierten  Menschen, daß und warum Herr Sauerland sich durch seine Definition, in einer katastrophalen seelischen Notlage befinden muss ! Ich habe Sie damals inständig gebeten, bei allem berechtigten Zorn, den seine Handlungen hervorriefen, Augen und Herz auch für seine Seelennot nicht zu verschließen. Auch er ist unser Bruder. Ein verzweifelter Mensch, „Out of order“, von Menschen umgeben, die ihre Karrieren und ihr politisches Schicksal fester im Auge haben, als sein oder das Wohl der Stadt.

Ich entsinne mich nicht,  jemals eine solche Kette verhängnisvoller Ereignisse wie Räder unheilvoll ineinandergreifen gesehn zu haben. Und die Protagonisten, die gewählten Verteter dieser Stadt, scheinen vollständig taub und blind dafür, daß die Bürger ebenso wie ihr Oberbürgermeister, dringend aufrichtiger Anteilnahme und menschlicher Zuwendung bedürfen…

Was aber kann man tun, wie kommen wir raus, aus dieser Sprachverwirrung, diesem Schicksalsrad, aus der Frage nach Schuld? Wie beantworten wir, wie beantworte ich sie?

Das ist die Fragen, die ich mir gestellt habe heute.

Und die ich gar nicht beantworten muss. Denn diese Frage hat Gott, hat Christus für uns beantwortet. Er starb für uns den Kreuzestod. Er hat alle Schuld auf – und mit sich genommen.. Er hat uns freigemacht von aller Schuld. Für immer. Und auf Ewig.

Wie könnten denn wir Menschenkinder, Brüder und Schwestern, wie könnten wir angesichts eines Gottes, der in Liebe sich für uns hingab, überhaupt von Schuld sprechen? Wie könnten wir denn jemandem Schuld zuweisen, dem von Gott und vor Gott, für alle Zeit alles vergeben ist?

Wir sind aufgerufen zu vergeben. Was auch immer. Wem auch immer.

Und wir sind in die Verantwortung gestellt. Von Gott. In unsere eigene.

Was wir seit seinem Kreuzestod ehrlichen Herzens führen können, sind allenfalls Selbstanklagen.

Diese Selbstanklagen, unsere “Gewissen” sind die Hölle und mit keinem Gericht der Welt zu vergleichen. In solchen Stunden, in denen wir unsem höheren Selbst gegenüber treten, ist es wichtig, dass wir da sind füreinander uns beistehen, uns hinwenden, einander annehmen und trösten. Es  ist wichtig, dass wir einander helfen, die Verantwortung zu tragen, die, in die uns Gott stellte, wie auch die, die zu tragen wir uns in der Welt bereit erklärt haben.

Der Herr segne und und behüte uns, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und schenke uns Frieden.

Amen.