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Schlaflos in Langenhorn

Mittwoch, 11. August 2010, geschrieben von Mimi Müller

Eins noch – ich kann ohnehin nicht schlafen, obwohl ich sehr erschöpft bin.

Es wird immer geredet vom Unterschied zwischen juristischer und politischer Verantwortung. Beiden Arten, der einen, wie der anderen, liegen aber ganz bestimmte Vorstellungen zu Grunde, die Ihre Wurzeln in dem haben, was wir als Werte definiert, als  “Moral” benannt haben. Wir reden also immer auch über eine moralische Verantwortung.

Ich sagte es bereits ganz zu Beginn meiner Betrachtungen: Herr Sauerland ist für mich “Out of order”.  Er rennt vom ersten Augenblick an vor der persönlichen Verantwortung davon, vor den Fragen, die er sich selbst stellt.  Er rennt, seit er Kenntnis hat, von den ersten Toten. Er rennt auch jetzt noch, hat sich aber mittlerweile mit Leuten umgeben, die ihm dieses Vor-sich-selbst-weg-Rennen erheblich erleichtern. Ich schrieb es aber schon einmal:  je weniger, er bereit ist zurückzutreten um so näher steht er persönlich am Abgrund. Und ich habe die Frage aufgeworfen, ob nicht auch er der Seelsorge bedarf.  Er hat sie für sich anders beantwortet. Er hat Anwälte und PR-Berater engagiert.  Herr Greulich sagt, der Oberbürgermeister müsse zu seinem persönlichen Wohlergehen im Amt bleiben.  Da ging ein Aufschrei durch die Foren.  Sie müssen sich aber einfühlen in beider Gedankenwelt, wenn sie das verstehen wollen. Beide, er wie Herr Sauerland,  setzen juristische mit politischer – und damit, in gewisser Weise  folgerichtig, mit moralischer Verantwortlichkeit gleich. Und das !!! wollen sie eben genau nicht sein: in einem moralischen Sinne verantwortlich. Darum geht es hier am Ende: Um Moral. Um Werte. Für beide ist das eine Frage des Gewissens. Und das wollen sie nicht:  Ihr Gewissen belasten. Wir alle wissen aber, daß es Vorgänge gibt, nach unseren Vorstellungen “unmoralische” Handlungen gibt, im kleinen, wie im großen, die gleichwohl nicht justitiabel sind. Unsere Moral und die daraus abgeleiteten Werte, haben wir versucht in Gesetze zu fassen und zu schützen, dennoch: nicht alles ist durch Gestze erfassbar. Ein Umstand, den beide übersehe.Es wird deshalb auch mit einem “offiziellen” Freispruch nicht getan sein. Und wenn kein Recht der Welt sie aus ihren Ämtern brächte: sie werden sich – ganz persönlich- nicht besser fühlen. Und sie würden sich nicht allesamt so verteidigen, wenn sich ihre Gewissen nicht schon längst geregt hätten. Sie laufen, das ist meine Meinung,  vor sich selbst davon.

Bei einem solchem inneren Konflikt aber kann ein Heilungsprozess nur stattfinden, wenn man sich seiner Verantwortung – seinem eigenen Gewissen stellt. Kein Freispruch keines Gerichtes der Welt setzt die eigene Seele frei.  Wir alle kennen das, haben es irgendwann in weniger dramatischen Situationen auch schon erlebt:  irgendjemand hatte uns “frei” gesprochen – aber dennoch konnten wir uns selbst etwas nicht vergeben. Und brauchten dafür lange Zeit.  Wer wahrhaftig am Wohlergehen Sauerlands interessiert ist, der kann ihm nur raten, was jeder Psychologe, aber auch meine Großmutter raten würde:  nicht wegzurennen. Sich der  Verantwortung zu stellen. Politisch. Vor allem aber:  sich selbst ehrlich gegenüberzutreten. Sich sich selbst stellen. Erst dann kann ein Heilungsprozess überhaupt beginnen. Unserer. Und seiner.

Bei allem, was er getan, geduldet, unterlassen haben mag und was die Zeit genauer noch erweisen wird:  Er ist Mensch. Ein sehr verzweifelter Mensch, auch wenn es nicht danach aussehen mag. Einer, der seit Wochen alles falsch macht, was man nur falsch machen kann. Und der sich hoffentlich bald besinnt, statt sich weiter mit falschen Freunden und Beratern zu umgeben.

Bleibt hart in der Sache, Freunde, aber vergesst nie, wie schwer es für uns alle geworden ist:  das Mensch-Sein. Und bleiben.

Es muss leichter, es muss uns selbstverständlich werden.