Zurüruck zum Inhalt

Mensch sein.

Freitag, 30. Juli 2010, geschrieben von Mimi Müller

Da las ich gerade in einem dieser unzähligen Foren der Heuchelei Herr Sauerland mache sich nur Sorgen um seine Pension.

Ich möchte hier einmal feststellen, daß die, die sich Sorgen um seine Pension machen bisher alle sind – nur nicht er. Spekulationen am laufenden Band, jede Einzelne geeignet, Wut und Hass noch mehr zu schüren. Ich persönlich glaube nicht, daß Herr Sauerland sich Sorge um seine Pension macht, – er wird ganz andere Sorgen haben, Sorgen, innere Zweifel, vor denen er in geradezu pathologischer Manier davon läuft. Ich mache mir ernsthafte Sorgen – auch wenn ich zutiefst schockiert bin von seinem Verhalten.

Das Bild aber, dass öffentlich nun verbreitet wird, und zu dem keiner sich scheut, sein “Schärflein” beizutragen, entbehrt jeder Menschlichkeit, hat jedes Maß verloren. Ihr redet von Menschlichkeit? – seit menschlich. Ihr redet von Verantwortung? – trage jeder die seine. Bei allem berechtigten Zorn: verliert doch nicht die Mitmenschlichkeit, verliert doch nicht … die Liebe.  Ihr seit Christenmenschen? So zeigt doch – bei aller Härte – Erbarmen. Ihr nennt Euch Humanisten? Dann seit es! Wie kann man Menschen, die für die Liebe lebten, tanzten, starben mit soviel Hass ehren wollen?

Ich verstehe die Wut und den Zorn – auch ich bin wütend und zornig, – aber noch mehr bin ich traurig und erschüttert. Liegt es daran, daß ich in Hamburg bin und Abstand habe? Dass ich nicht infiziert bin, von dem Virus des Hasses, der in der Duisburger Luft liegt? Seht Ihr nicht dass Drama, die Tragödie, die sich cor euren Augen abspielt, weil ihr mittendrin sitzt – und ich hier, zum zuschauen verdonnert? Haltet ein! möchte ich Euch zurufen – rufe ich euch zu. Hört die stummen Schreie derer, die nun nicht mehr sind, die Engel sind! Was werden Sie denken, die sie immernoch sind, hier,mitten unter uns? Der Himmel über Berlin ist derselbe wie über Duisburg, vergesst das nicht, in keinem Moment. Trauert, weint Euren Schmerz, eure Erschütterung heraus – aber bastelt keine Galgen. Es war abscheulich, was ich da auf dem Burgplatz fernsehen musste. Da sind viele unter Euch dabei, jedes Maß zu verlieren und sich mit der gleichen Schuld zu beladen, die ihr anderen vorwerft.

Herr Sauerland ist nicht das kaltblütige Monster, dass man nun aus ihm zu machen sich anschickt – auch wenn er den Eindruck hervorruft. Ich sehe einen hochgradig traumatisierten Menschen, der mit aller Macht vor dem Unausweichlichen davonzurennen sucht. Er läuft nicht vor der Verantwortung davon – er läuft vor sich selbst davon. Ich kann ihn mit keinem “normalen” Maßstab mehr messen. “Out of order”. Und der Zusammenbruch unausweichlichJe mehr er den Rücktritt verweigert umso näher am Abgrund…. Das ist, was die politische und wirtschaftliche Welt, in der wir alle leben, aus einem charakterschwachen Menschen zu machen vermag. Es braucht erhebliche persönliche, innere, menschliche Stärke dem zu widerstehen, was allerseits erwartet wird. Charakterliche Festigkeit, Stärke und Tugenden, die die heutigen Amtsträger in überwiegender Zahl vermissen lassen, da sie schon einer innerparteilichen Karriere im Wege stünden.Tugenden, die im heutigen Wirtschaftsleben hinderlich sind – ja ihm im Wege stehen. In höchste Ämter und Positionen gehieft, mit Macht ausgestattet, sind die heutigen Protagonistend der Selbstüberschätzung und des Selbstbetruges und jedweder Täuschung preisgegeben. Vor den Augen der Welt sehen wir, was die “Geldwelt” aus einem Menschen macht. Ein weiteres, menschliches Drama, daß keiner sehen, keiner wahrhaben will. Fühllosigkeit wird mit Fühllosigkeit beantwortet, ein jeder wirft den ersten Stein.

Erlaubt Euch die Trauer, erlaubt Euch das Herzeleid, geht hinein in Eure Verzweifelung – fühlt Euch – dann fühlt ihr auch, was ihn treibt. Wir sind alle Überlebende. Wir haben alle Verantwortung zu tragen.  Da ist ein verzweifelter Mensch, der in seiner Verzweiflung nichts mehr “richtig” zu machen vermag, der “nicht richtig tickt”, der wie ein trotziges kleines Kind einen Fehler nach dem anderen macht. Der der kommenden Erschütterung dennoch  nicht auszuweichen vermag. Ich sehe da nur ein verzweifeltes Menschenkind. Das ist eine ganz persönliche Hölle. Da braucht es Eurer Anklage nicht, nichts wird schlimmer sein, als die Zeiten,  die vor ihm liegen.

Da gibt es auch eine Familie, da sind Kinder, die nun auch unter dem zu leiden haben, was öffentlich an Wut und Hass geäußert werden. Müsst Ihr allem Schmerz noch weiteren hinzufügen? So zeigt doch Erbarmen.

Bleibt einfach mal stille und geht in Euch. Und fühlt, was da los ist. Und dann streitet dafür, dass die Welt sich ändert. Mit flammendem Herzen. Aber kühlem Verstand. Morgen aber hat Eure ganze Liebe und Aufmerksamkeit den Freunden und Familien zu gelten. Fügt niemandem ein weiters Leid zu.  Der Trauermarsch ist trauriger Abschluss einer Parade der Liebe. 7 Tage danach. In sieben Tagen soll Gott die Welt erschaffen haben – unsere und die vieler, vieler Menschen ging in 7 Tagen vollständig unter. Eine andere, eine bessere Welt zu erschaffen, eine der Liebe, der Güte, des Lichtes – daß ist das Vermächtnis derer, die in unserem Dreck starben.