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Freiheitsräume

Montag, 2. August 2010, geschrieben von Mimi Müller

Noch ein paar Worte zu den Plänen von Herrn Kurt Krieger, neben dem Möbelhaus auch eine Kapelle errichten zu wollen:

Als ich zum ersten Mal die Nachricht las (nebst einiger Kommentare) bin ich, sagen wir mal: stutzig geworden. Immerhin ist ein angemessener Trauerraum ja schon mal deutlich mehr, als “nur” eine Gedenktafel und nur, weil da jemand auch weitergehende Interessen hat, mochte ich ihm ja nicht eine Art Betroffenheit, Trauer oder einen ernsthaften Willen bei der Trauerarbeit auch einen Beitrag leisten zu wollen absprechen. Also machte ich mich erstmal kundiger als ich bis dahin war und stöberte in alten Zeitungsartikeln im Internet auch einen auf, bei dem die Pläne des Herrn Krieger etwas genauer erläutert waren – und auch ein Plan zu sehen war, was denn nun da wo hinsolle.  Auch war in dem Artikel, den ich jetzt leider nicht mehr auffinden kann, zu lesen, wie Herr Krieger vor nicht allzulanger Zeit  Vertreter der Stadt vor nahezu vollendete Tatsachen gestellt hatte. Die waren nämlich damals auf Einladung bei ihm angereist, im guten Glauben, da wolle jemand für seine Idee werben. Vor Ort wurden sie dann in Kenntniss gesetzt, daß der Deal zwischen Krieger und Aurelis längst “in trockenen Tüchern”, die Verträge schon gemacht waren. Das ist ja schonmal kein guter Anfang, da hat Herr Krieger sich nicht sonderlich gut den Bürgern empfohlen. Jemanden, von dem ich anschließend die Genehmigung meines Projektes erwarte, würde ich jedenfalls nicht derartig düpieren. In dem Artikel hieß es unter anderem dann, daß die Kosten für Park, künstliche Seen und Pflege der Grünanlagen der Investor zu übernehmen gedenke. Also sah ich mir das auf dem Plan mal genauer an. In den “künstlichen Seen” war dann etwas eingezeichnet, daß ich zunächst (keine Brille) nicht richtig entziffern konnte. Irgendwas wie “Fasaneninsel”. Klang gut. Mit Brille las ich aber “Fahneninsel”. Mitten in den Seen, die ich mir ohnehin nur schwer hab als solche vorstellen können, waren “Fahneninseln” geplant. Da sah ich sie dann im Wind der großen Freiheit flattern: unzählige Werbeflaggen in einem wie auch immer gearteten Park. Wahrscheinlich, dachte ich, werden dann alle Sitzbänke auf die Werbeflächen ausgerichtet, da möcht ich nicht sitzen, dacht ich, aber da stand ja noch mehr zu lesen: Der Tunnel – und mit ihm die Rampe, kommen in Kriegers Planung gar nicht mehr vor. Die werden nämlich abgerissen. Und da sind wir dann auch an einem Punkt, wo ich jenen Recht zu geben geneigt bin, die in Kommentaren schrieben, da habe doch wieder jemand nur seinen Profit im Auge und suche sich auf diese Weise  Sympathien zu erkaufen. Tatsächlich geht das aber wohl noch einen Schritt weiter. Das Verlangen der Bürger nach einem Mahnmal, einer dauerhaften Erinnerung an der Stelle, an der dies alles geschah, stünde nämlich den Krieger-Plänen vollständig im Wege.

Und genau darauf müssen wir nun achten, dafür müssen wir wohl streiten: Dass der Ort des Geschehens nicht “unter die Räder” kommt. Nichts macht das Geschehene anschaulicher klar, als dieser Tunnel und diese Rampe. Sie sind schon jetzt Mahnmal, denn nirgendwo wird anschaulicher und fühlbarer klar, was geschah , als an diesem Ort.  Er darf nicht verschwinden. Wir können ihn von Künstlern gestalten lassen, oder selbst gestalten und dabei Trauer verarbeiten, wir können einen würdigen Ort der Erinnerung und des Mahnens schaffen, wenn er bleibt, was er heute ist: eine direkte Konfrontation, der die Ausmaße der Katastrophe in sich trägt, die Versagen  und Verantwortungslosigkeit in ihren Dimensionen fühlbar machen. Wir dürfen nicht zulassen, daß man diesen Ort auslöscht und womöglich zur Zufahrt macht, über die eine Konsumparade um einen Einkaufstempel rollt. Auch eine “Kapelle anstatt”, mit Werbefahnen in Sichtweite, ist für mich undenkbar. Ich kann mir gut vorstellen, daß man, insbesondere in kommunalpolitischen Kreisen,  diesen Ort gern verschwinden ließe. Erst aus den Augen, dann aus dem Sinn. Er wird wie ein Stachel sitzen unter der Haut derer, die für sich alles zu retten suchen und nicht erinnert werden mögen an Ihre Verantwortung,  jetzt nicht, und später nicht. Ich halte die Erhaltung des Tunnels und der Rampe für unabdingbar, wenn wir ernsthaft Verantwortung übernehmen wollen. Über das “wie” der Gestaltung können wir uns Gedanken machen, die Erhaltung ansich aber sollte für uns kein  Thema sein.

Noch ein persönliches Wort an Herrn Krieger: Ihr großzügiges Angebot ist bei Weitem nicht großzügig genug.  Was immer Sie vorschlagen, sollte jeglichen Anschein von Eigennützigkeit entbehren. Sie haben sich nicht sonderlich gut in dieser Stadt eingeführt, als Sie begannen, Claims abzustecken und vollendete Tatsachen zu schaffen. Und was Sie über den Verdrängungswettbewerb im Möbelgeschäft und zu Ihrer Standortwahl gesagt haben, ist nicht geeignet, uns darüber hinwegzutäuschen, daß es – in letzter Konsequenz, immer wir, die  Menschen, sind, die verdrängt werden, unser tiefer Wunsch nach einer Gesellschaft, in der unsere Arbeit gerecht entlohnt wird und in der wir, als Menschen, mit all unseren nicht kommerziellen Bedürfnisse mehr gelten, als unsere Kaufkraft hergibt.  Sie werden unter diesem Aspekt sicherlich verstehen, wenn die Duisburger Ihr Angebot dankend ablehnen. Ich jedenfalls tue dies ganz entschieden.

Update 10:30     ein Link