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Es ist noch nicht vorbei…

Freitag, 4. September 2009, geschrieben von Mimi Müller

Ich wollte die Ruhe genießen. So, hab ich gedacht, prima Mimi, die Wahl ist vorbei – und du bist – Gott sei Dank! – nicht Oberbürgermeisterin geworden. Persönlich, also für mich, und nur für mich betrachtet, was das genau das, was ich mir gewünscht habe: Dass dieser Kelch an mir vorübergeht. Ich wäre eine gute Oberbürgermeisterin geworden, vielleicht die Beste, die Ihnen in dieser Situation hätte passieren können, ich hätte alles gegeben, alles getan um uns durch diese Zeiten zu bringen, die nun kommen, aber ich habe das Amt nie aus persönlichen Motiven angestrebt. Ich mußte das tun, weil ich es Ihnen schuldig geblieben bin. Ihnen – und auch mir. Für mich wäre es staatsbürgerliche Pflicht gewesen, wie es auch die Kandidatur schon war. Die Aussicht darauf, 6 Jahre meines Lebens hergeben zu müssen, reales privates Glück zugunsten einer angenommenen gesellschaftlichen Verpflichtung hintanstellen zu müssen, günstigstenfalls, war keine schöne. 6 Jahre Leben hatte ich am Sonntag gewonnen – auch wenn mir nicht danach war, das zu feiern. Als ich mit meinem Mann am Montag zurück nach Hamurg fuhr, ist mir aber dann erstmal mit jedem Kilometer Entfernung besser, leichter geworden. Prima, dachte ich, ganz prima – nun kann ich endlich dieses Kapitel abschließen. Ich hatte alles gegeben, alles versucht – nun würde ich in Hamburg endlich heimwehbefreit leben können… Die ein oder andere Sache war da noch, die da irgendwie noch in mir grub, – aber das, so sagte ich mir, würde vergehen, ein, zwei Tage, ein bißchen Schlaf, dann wären auch die letzten Zornesfalten geglättet,  der letzte Ärger verflogen – und dann könnte es los gehen, mein neues, völlig von Visionen und Illusionen befreites Leben. Und es würde schöner werden, als jemals zuvor. Einige quälende Fragen, die mich die letzten beiden Jahrzehnte begleitet hatten, würde ich mir nie wieder stellen müssen. Eine glorreiche Niederlage, die ich da eingefahren hatte. Für mich: ein grandioser Sieg. Ein paar Tage noch, dann würde ich wieder in den Tag reinschreiben können…

Als erstes schrieb ich, gleich Montag, so wie immer, eine Kolumne.  Das heißt: ich fing an, sie zu schreiben. Sehen Sie mal, hier:

„Und gezz?“ hatte Anton, dem Bommel sein Enkel, sein Oppa entgeistert angestarrt, nachdem der ihm den Schlüssel vonne Bude inne Hand gedrückt hatte. „Gezz? Gehört die Bude dir! Mach bloß nix draus, Junge, führ se  einfach nur weiter wie bisher.“ Hertha stellte die Pfanne auffet Pflaster und zooch die Jalousie vor den Schalter, wie se datt jeden Ahmt gemacht hatte, all die Jahre. „So.“ hattse gesacht, „datt wart dann. Nich runterknallen lassen, hörße, sampft, ganz sampft runnerlassen – dann hält die nochma fümmenzwanzich Jahr!“ „Im Ernst, gezz?“ Anton waa fassungslos. „Ihr könnt doch nich gehn!“ „Doch“ hatte Bommel gesacht „wir können, sieße doch! Wir ham hier nix mehr zu verliern. Die Bude hass du ja gezz!“ Dann hadder „Omma“ Hertha geherzt, se auffe Schnute geküsst. „Komm, Mutter, wir gehn!“ Und datt hamse dann auch gemacht. Sind gegangen. Der Sonne entgegen. Watt Sie gezz schmerzen, abber mich freun wird: Die beiden ziehn zu mir nach Hamburch. Schabrowski und Pollen-Kuat übrigens auch. Anne Essenerstrasse, inne Schwaazwaldsiedlung. Bommel wollt ja immer in Schwaazwald sein Lebensherbst genießen, Hertha anne See. Datt hatte zu manche Streiterein geführt, je näher die Rente rückte, abber als se bein letzten Besuch hier die Siedlung entdeckten, da waa ein genialen Kompromiss gefunden worden. Mit ein Hauch von Zeche. Pollen-Kuat hatte seine Fühler ma nache Hamburger Kleingaatenvereine spielen lassen und sich bei der hanseatischen Imkervereine informiert – und waa ebenfalls zu den Schluss gekommen, datt Hamburch gezz datt Land wär, wo Ziegenmilch und Honich für ihm und Schabrowski fließen würden. Die beiden waarn ja schonn immer ein Paar. Und wohnen gezz bei de Boerner. Au ne Siedlung. Au umme Ecke…

Da bricht die Kolumne dann ab. Mir war eingefallen, dass ich die ja nicht einfach alle nach Hamburg ziehen lassen kann. Ohne eine Erklärung. Wenigstens warum müsste ich ja irgendwie erzählen. Also brach ich ab – und wollte erstmal eine andere Kolumne schreiben, eine, die sie auf den Abgang vorbereitet…

Vielleicht sollt ich Ihnen doch ersteinmal was über die Schriftstellerei erzählen.  Nicht im allgemeinen – mehr so… im Besonderen.

Also von meiner….