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*** Anlage1, Januar 2007 / Ankauf Lehmbruckerbe

Montag, 7. September 2009, geschrieben von Mimi Müller

Hier die beiden Kolumnen,  die Gegenstand des Briefwechsels mit  Josef Krings waren.

I.

„Zwanzich Millionen! Euro! Vierzich Millionen Mark – datt muss man sich ma vorstellen! Wir sind pleite – und die wolln sich dä Museumskeller dekoriern! Wenne mich fraachß, dann drehn se gezz endgültich durch! Die ham se donnich alle!“ wetterte Bommel und traf den Kern der Sache gut: die ham wirklich nich alle – Werke von Lehmbruck – wollen sie aber. “Für 20 Millionen Euro will die Stadt den Nachlass des bedeutenden Bildhauers aus Duisburg von seinen Erben erwerben. Für die Kosten sollen auch Bund und Land aufkommen“ so stand es zu lesen und ist mir ganz erbärmlich auf den Magen geschlagen. Ich kann das gar nicht glauben! Da wurden und werden Stadtteilbüchereien geschlossen, die Kinder armer Eltern müssen sehn, wie sie an Schulbücher kommen, aber man ist allen Ernstes bereit, den Bürger ein weiteres Mal für Hochkultur bluten zu lassen. Stadt, Land, Bund – es ist ja immer doch der Bürger, der das Geld aufzubringen hat. Geld, das er an anderer Stelle viel dringender braucht, wenn es nämlich darum geht, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder, ja auch dass wir, nicht völlig verblöden. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass die von uns gewählten politischen Vertreter sich allen Ernstes damit beschäftigen, auch noch den fünften Abguss einer Plastik, die erste Ideenskizze und womöglich auch noch den Bleistift, mit dem sie gefertigt wurde, aufzukaufen. Die Sammelwut der Museumswärter grenzt ja schon an Besessenheit! Und was da an Stellungnahmen aus dem Rathaus kommt, das könnte unsinniger auch nicht sein: Da sagt doch die blindgrüne Bürgermeisterin, die den Ankauf positiv sieht und mitträgt, angesprochen auf die finanzielle Seite: „Die Stadt ist in einer desolaten Lage, aber wenn wir so diskutieren, müssten wir das Lehmbruck-museum verkaufen“, um ein wenig später weiter zu schwadronieren „Wenn wir alles haben, haben wir die Option, es später gewinnbringend zu verkaufen.“ Ja, was denn nun? Als was will sie sich denn jetzt betätigen? Als die heilige Johanna der Kulturgüter oder als Kunstspekulantin? Ach, wenn sie doch geschwiegen hätte…Toll auch wieder de Jong „Es wird schwer sein, dafür in der Bevölkerung Verständnis zu wecken.“ Da liegt er mal wieder sowas von falsch! Es wird nicht schwer sein – das ist unmöglich. Er kann sich jede, aber auch die allerkleinste Mühe sparen – für diesen Ankauf weckt er nicht einen einzigen Funken Verständnis beim Bürger. Der will, dass seine Kinder lesen und schreiben lernen, in einer sauberen, halbwegs gut ausgestatten Schule, er will, dass sie sich Bücher ausleihen können, etwas lernen, mit dem sich etwas anfangen lässt im Leben. Und wenn all das sichergestellt ist, dann wünscht er sich, dass seine Kinder auch mal Museen besuchen und sich an Kunstwerken erfreuen können. Dort sollen sie etwas von „Großen Meistern“ zu sehen bekommen. Etwas. Nicht Alles. In einer Zeit, wo mancher Familie nicht einmal das Eintrittsgeld für den Museumsbesuch bleibt, bringen die Bürger keinerlei Verständnis für die ungebremste Ausgabewut ihrer Kulturpolitiker mehr auf. Eher gehen sie auf die Barrikaden…

II.

Kolumne der darauf folgenden Woche nach der öffentlichen Kritik Josef Krings´des Diskurses über den Ankauf.

„So. Da hasset, Mimi. Schwatz auf weiß“ sachte dä Bommel bei unsrer sonn-täächlichen Presseschau. „Du daarfs dä Ankauf vonnet Lehmbruckerbe nich einfach mit Bildungsausgaben verquicken!“ “Natürlich daaf ich datt“ sach ich „wer will mir datt verbieten? Demokratie, Bommel, erinnerße Dich? „Nä“ beharrte Bommel und wedelte mir mitte Zeitung umme Nase „hier steht et doch: datt is nich akzeptabel, irreführend, und unlauter!“ „Unlauter. Aha. Wer sacht datt?“ „Jupp Krings sacht datt!“ „Jeder kann sich ma irren“ sach ich. „Lehmbruck is sein Steckenpferd – datt reitet er eben gern. Ändert abber gezz nix am Sachverhalt. Wir ham kein Geld, also könnwer uns nix kaufen. Und sollten wir irgendwo don-noch paa Maark auftreiben, brauchen wir die für Schulbücher, Büchereien und Immersatt. So einfach is datt. Ers werden die Existenzbedürfnisse gestillt, dann die nach Kultur und zuletzt die Bedürfnisse nach Luxus. Zwei Hühner, zwei Gänse zack-zack. Und wennet danach geht, watt man hier alles nich ansprechen daaf, dann dürft ich den Mund gaa nich mehr aufmachen! Beteilichße dich anne Haushaltsberatungen und zeichß ma paa Einsparmööchlichkeiten beim bürger-meisterlichen Fuhrpaak auf, tobt datt Sauerland. Fraachße, wieso eigentlich wer warum nach Wuhan fliecht, tobt die Linke. Sachße: O.k. kürzen wir die Fraktions-gelder – schreien se alle. Gezz isset eben ma Krings, Bommel – ich kannet nich ändern. Dä Sachverhalt wird nich anders dadurch, datt Krings statt Sauerland ihm denkt. Die Probleme, die wir ham, rühren nemmich daher, datt hier immer noch gelebt wird, als reechnet et täächlich neu Geld vom Himmel. Hier muss ma Verzicht geleistet werden! Unten, anne „Basis“, da wo kaum ein Politiker sich mehr auskennt, ham wir gerade ein paa existentielle Probleme! Existentielle, Bommel! Et geht um unsere Zukunft, um unsere ganze Gesellschaft, ummet körperliche wie geistige Überleben – da kann ich gezz grade keine Rücksicht drauf nehmen, datt jemand seine Heilige Kuh streicheln will. Nä, Bommel – die Diskussion is nich erschreckend. Da is überhaupt nix irreführend und nix unlauter und inakzeptabel, Bommel, find ich leedichlich, datt die Bürger hier in keiner, aber auch gar keiner Weise mehr mit ihren Nöten wahrgenommen werden. So. Mehr is da nich zu zu sagen. Und gezz, Bommel, gieß uns ma ein lekker Pilsken ein und lass uns auf datt Neue Jahr anstoßen. Wo sind eigentlich die Andern. Wo is Hertha?“ Traditionell is ja dä erste Sonntach im Februar immer Neujahrsempfang anne Bude und dafür waa ich ja übberhaupt gekommen. „Gezz sach nur, Du hast die Post nich gekricht?“ „Watt für Post?“ „Die Absage, Mensch, Mimi, et gibt kein Neujahrsempfang“ „Wie? Gibbet nich, gibbet nich, watt soll datt heißen?“ Ich war echt entsetzt. „Die sind heute alle nach Köln wegen datt Handballspiel.“ „Wegen datt Handballspiel nach Köln? Ich komm extra aus Hamburch! Wegen de Kumpels! Und ihr lasst mich im Regen stehn? Mannu!“ Watt soll ich sagen. Et läuft eben nich immer so, wie man dachte. Ich bin dann innet Museum gegangen. Lehmbruck-Plastiken sind wundervoll und so tröstlich. Duisburg ist einfach immer eine Reise wert… Ich hab überhaupt nix vermisst. Und Weltmeister sind wir nun auch….